4 Erkenntnisse über Insulin, Kohlenhydrate und Diabetes

Von der Fett-Eiweiß-Einheit geträumt

Vor ein paar Tagen waren wir wieder mit der sogenannten Fett-Eiweiß-Einheit konfrontiert. Das Töchterchen ist mit Überzucker um 4.00 Uhr aufgewacht, ins Bad gepoltert und hat mich geweckt: „Mama, hab wohl den Fettbolus für die Pizza vergessen. Oder der Katheter sitzt nicht mehr. Oder es war Luft im Schlauch, was soll ich jetzt machen?“

Leider weiß man ja oft nicht zu 100 % woran solche Entgleisungen liegen. Also doch lieber Katheterwechsel, Insulin neu aufziehen und dann den Korrekturbolus abgegeben. Im Restschlaf bis zum Weckerklingeln habe ich dann über meine 4 wichtigsten Erkenntnisse zur Insulintherapie nachgedacht.

Kohlenhydrate Schätzen ist ein langwieriger Übungsprozess

Ein gutes Zahlenverständnis kann nicht schaden, wenn man Diabetiker ist. Auch ein Auge für Mengen und ein gutes visuelles Gedächtnis sind hilfreich. Mein Kind gehört zu denjenigen, bei denen schon eine fehlende Einheit Insulin einen deutlichen Überzucker produziert. Im Restaurant nehmen wir auch nach 11 Jahren eine Waage mit, wenn uns das Schätzen zu nervig ist. Das hat bisher noch keinen Gastgeber oder Kellner gestört. Eisbecher schätzen bekommen wir mittlerweile gut hin. Muss wohl an der Vorliebe meiner Tochter für Eis liegen. Aber es hat Jahre gedauert, bis wir darin sicher waren. Ich gebe zu, dass ich oft zum Schätzen zu faul bin und deswegen Nudeln, Brot und Co zu Hause abwiege.

Vieles haben wir uns durch Ausprobieren erarbeitet. Linsengerichte sind auch so eine Sache. Wir geben für 300 Gramm dunkle Linsensuppe Insulin für eine KE ab. Das ist ein voller Teller. Man sollte sich also Zeit lassen, viel nachwiegen bis man in die Premiumleague der KE-Schätzer einzieht. Das ist okay, die Welt wurde ja auch nicht an einem Tag geschaffen. Wer es sich leicht machen möchte, kann sich auf dantonis.de Bildkarten bestellen, die viele Nahrungsmittel mit dem KE-Gehalt zusammen zeigen. Eine tolle Sache für den Kindergarten oder Menschen mit Diabetes und kognitiven Einschränkungen.

Insulin wirkt zu jeder Tageszeit anders

Zum Frühstück berechnen wir für einen KE 1,4 Einheiten Insulin, das unbedingt vor der Mahlzeit abgegeben werden muss. Sonst schießt der Butzucker sofort hoch. Am Abend dagegen berechnen wir nur 1,2 Einheiten für eine KE, der Bolus darf auf keinen Fall vorm Essen abgegeben werden und wir verzögern ihn mit einem einstündigen Mulitiwavebolus. Trotzdem kommt es 2 Stunden nach dem Essen gelegentlich noch zu leichten Unterzuckerungen. Senken wir den Faktor aber ab, dann reicht der Bolus nicht für die Mahlzeit aus. Bei aller Genauigkeit, mit der man die Kohlenhydrate über den Tag berechnet und abgibt. Perfektion gibt es einfach auch hier nicht. Hier hilft die Routine und auch gelegentlich ein Basalratentest, um zu prüfen, ob es nicht doch eine falsche Basalrate ist, die zu Blutzuckerhöhen führt.

Basalrate und Umrechnungsfaktoren ändern sich über die Jahre

Blättere ich alte Unterlagen durch, ist nicht nur die Basalinsulinbedarf mit dem Körpergewicht meiner Tochter angewachsen, sondern auch die Umrechnungsfaktoren. Mittlerweile bekommt meine Tochter über 20 Einheiten Basal. Mit sechs Jahren war sie bei 6 Einheiten. Von den lächerlichen Insulinmengen als 2-jährige will ich gar nicht sprechen. Deswegen sind die Momente, in denen man glaubt, dass es nun endlich mal super läuft, oft nur von kurzer Dauer. Kaum hat man sich ein paar Wochen an eine funktionierenden Basalrate gewöhnt, kommt der nächste Schub. Im Schnitt haben wir, in Zusammenarbeit mit unseren Ärzten, die Basalrate jedes Jahr um mehr als zwei  Einheiten angehoben. Unsere Herausforderung als Zuckermütter besteht darin, diesen Zustand der permanenten Veränderung hinzunehmen, bis unsere Kinder groß sind.

Kuchen
Rührteig 25 Gramm eine KE

 

Nicht nur Kohlenhydrate brauchen Insulin um verstoffwechselt zu werden

Erst mal die gute Nachricht: Eigentlich braucht man die sogenannte Fett-Protein-Einheit nicht. Vorausgesetzt man ernährt sich nach dem Prinzip der gesunden Mischkost. Aber natürlich gibt es Tage, da verlässt jeder mal den Pfad der Ernährungstugend. Bei meiner Tochter jedenfalls führt üppiger Verzehr von Fleischwurst, Rostbratwürstchen, Wiener Schnitzel, Pizza und Co. am Abend in der Nacht zu Blutzuckererhöhungen.

Spritzt man eine Einheit Insulin, ist diese quasi für die gesunde Mischung von allen dreien Nahrungesbestandteilen gedacht. Das Insulin für eine Einheit Kohlenhydrate deckt eine Nahrungsmenge von 100-200 Kalorien ab. Hier greift die Fett-Protein-Einheit (FPE). Wenn man also vom Pfad der Ernährungstugend abweicht, kann man eventuelle Blutzuckeranstiege mit einem Extrabolus, der über mehrere Stunden abgegeben wird, verhindern. Hier wird klar, dass diese Methode am besten mit einer Insulinpumpe funktioniert.

Man berechnet die FPE wie folgt: Ein Brötchen hat 2,5 KE, das ergibt einen Brennwert von rund 100 Kalorien. Die Bratwurst bringt 100 Gramm auf die Waage. Das wären 15 Gramm Eiweiss und rund 25 Gramm Fett. Insgesamt hat die Bratwurst rund 335 Kalorien. Dann subtrahiert man von den 335 Kalorien der Bratwurst die Kalorien aus den Kohlenhydraten. Dann bleiben noch 235 Kalorien über. Man kann für 200 Kalorien aus Fett und Eiweiss nach meinem Wissensstand einen Insulinbedarf von 1 Einheit veranschlagen, so wurden wir geschult. Dies allerdings verzögert über 4 bis zu 8 Stunden. Verzehrt man mehr Kohlehydrate zur Bratwurst, kommt man dem Modell der Mischkost näher, was die Verteilung der Nährstoffe angeht. Dann kann man eventuell auf die Fett-Eiweiss-Insulinisierung verzichten. Wie alles ist auch diese Berechnungstechnik eine Frage des Ausprobierens.

Bitte bedenkt immer, dass die von mir formulierten Erfahrungen nicht für alle gleich richtig sein müssen. Bitte sprecht Therapieänderungen immer mit euren Diabetologen ab.

Eine Antwort auf „4 Erkenntnisse über Insulin, Kohlenhydrate und Diabetes“

  1. Hi Silke, wie immer schön geschrieben. Freu mich jedes Mal von Dir/Euch zu lesen.
    Bzgl. dem Berechnen von den FPEs habe ich eine App geschrieben, für die ich noch Tester suche.
    Ein paar Bugs habe ich noch. Aber hey! läuft Windows ohne Updates 🙂

    Ist Taschenrechner, keine Therapieempfehlung oder ähnliches
    https://zuckerjunkies.com/tippsundtricks/fperechner

    Die App läuft derzeit nur über Android.
    In den Google Store packe ich es vielleicht schon über die Feiertage.

    Würde mich freuen, wenn Du die App mal testest.

    LG
    Sascha (alias Zuckerjunkie)

Kommentare sind geschlossen.