AlleinVerreisen als Diabetes-Kind

Zum ersten Mal 3 Tage allein klar kommen

Die Begeisterung meiner Kinder für Reisen ohne ihre Mutter war bisher nicht groß. Klar, sie waren auf Klassenfahrt. Meine Tochter hat dabei ihr Diabetes-Management in der 5. und 6. Klasse auch mit leichter Flankierung durch die Lehrerin allein hinbekommen, aber dabei waren sie nur ein Stündchen Zugfahrt von Köln entfernt. Und jetzt sollen sie um Ostern herum mehrere Tage ohne mich zu ihrer Großmutter. 450 km entfernt. Spannend und neu für uns drei.

Aufbruch nach Norden

Für die Kinder eine Herausforderung. Und für mich erst recht! Zugegebenermaßen fällt es mir nicht leicht, die beiden weg zu lassen. Die Sorge fährt mit. Was ist, wenn mein Kind nachts unterzuckert und niemand da ist, der dies merkt? Und wie umgehen mit absolut hohen Werten, die einfach nicht fallen wollen? Dem sogenannten „Betonzucker“. Oma hat sich zwar auch an der Klinik schulen lassen, aber Routine hat sie nicht.

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Auf gehts, was packen wir als erstes ein!

Aber unser Programm heißt ja nicht nur „Langzeitwert runter“, sondern auch „Loslassen“. Ich möchte, dass wir lernen uns zu trennen, und dass meine Kinder die Erfahrung machen, ohne mich gut klar zu kommen.

Dank ihrer Tante und einer Mitreise in ihrem Auto kommen meine Kinder dann auch wohlbehalten bei ihrer Oma an. Dann aber gleich am ersten Tag die mega Panne. Achtung Betonzucker-Alarm!

Betonzucker

Diabetes-Management heißt oft Fehlersuche mit zahlreichen Irrtümern. Fehleinschätzungen, warum der Wert hoch ist und nicht fällt, begleiten uns seit 10 Jahren. Grundsätzlich gibt es unter anderem folgende Faktoren, die zu Betonzucker führen können: Trägheit, falsch geschätzte Mahlzeiten, Katheterfehler, heimliches Essen, Gegenregulation, Wachstum, Pubertät, Stress, Krankwerden oder Bolus  vergessen und dann noch vergessen, dass man was gegessen hat. Manchmal greift nichts davon, dann spielt uns wohl einfach nur der Diabetesteufel einen üblen Streich.

Ab einer Höhe über 300 habe ich schon oft die Erfahrung gemacht, dass sich der Blutzucker trotz Korrekturen nicht senken lässt. In der Klinik haben wir dafür Schema B gelernt.

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Ostern in Norddeutschland.

Kurz gesagt, erhöht man dabei die Insulinmenge, die sonst zur Korrektur passend wären um ein vielfaches. Ich finde diese Situation, dass man den Wert trotz Extrainsulin nicht wieder unter 200 bekommt, extrem unerfreulich. Man steht daneben und weiss dann oft nicht weiter. Momente, in denen ich mich schon oft unendlich hilflos gefühlt habe, auch wenn wir den Blutzucker meiner Tochter immer wieder auf die Kette bekommen haben. Deswegen versuche ich meine Sorge hinter dem Satz zu verbergen: „Das bekommen wir schon wieder hin!“.

Nach der Autofahrt war der Blutzucker meiner Tochter dann ziemlich erhöht. Meine Tochter glaubte zunächst, dass der Wert hoch war, weil sie sich 4 Stunden nicht bewegt hat. Sie korrigierte, aber nach der zweiten Korrektur war der Blutzucker noch höher. Sie warf einen Blick auf den Katheter und stellte fest, dass Blut in den Schlauch gestiegen war. Vielleicht lag es daran? Aber nach dem neu Legen des Katheters fiel der Blutzucker trotz mehrerer echt scharfer Korrekturen erst am späten Nachmittag. Wie fest getackert blieb der Blutzucker hoch. Insgesamt über 20 Einheiten Korrektur waren nötig, um von 440 auf 160 zukommen.

Wir haben im Laufe dieses Nachmittags ein paar mal telefoniert. Meine Tochter war schon gestresst, aber ich hätte es nicht anders gemacht als sie. Es hat ja dann doch irgendwie geklappt. Ja, und ich konnte nachts auch wider Erwarten schlafen und habe mich nicht vor Sorge hin und her gewälzt. Super fand ich, dass mein Kind die Sache ernst genommen und sich vernünftig um sich selbst gekümmert hat. Das mit diesen festbetonierten Werten hat mir ein Experte einmal so erklärt: Ist erst mal sehr, sehr viel Blutzucker im Blut unterwegs, braucht es auch noch extra viel Insulin, um den Blutzucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen, „normale“ Korrekturfaktoren reichen da nicht mehr.

Und noch ein Betontag

Ich bin dann über Ostern nach gereist und nach den Feiertagen wieder allein zurück nach Köln. An meinem Abreisetag waren die Werte dann noch mal erhöht. Wieder Rätselraten, ist es die Aufregung oder Bewegungsmangel oder was auch immer. Auch hier kämpften wie nach einem Katheterwechsel weiter mit Betonwerten, allerdings nicht so hoch wie vor Ostern. Anschließend waren die Kinder noch 3 Tage allein bei ihrer Oma. Letztendlich ein Erfolg, meine Tochter kam gut klar.

Die Kinder sind dann sogar noch allein mit dem Zug nach Köln gefahren. Sie wollen wieder einmal allein zu ihrer Oma! Ich freue mich! Nicht um die für mich gewonnene Freizeit ohne Kinder. Sondern weil meine Töchter groß werden und auch ein Betonzucker sie nicht umhaut.

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