Der Rückfall

Ein HbA1c über 8!

Wow! Das war ein Schlag! Beim letzten Checkup Termin in der Klinik hat die Ärztin uns mitgeteilt, dass der Langzeitwert meiner Tochter bei 8,1 liegt! Ich hatte mit einem höheren Wert gerechnet, aber auf die böse Acht war ich nicht gefasst.

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Eingewiesen wurde meine Tochter vor über 10 Jahren mit einen Langzeitwert von 9,7. Unter der konventionellen Therapie gab es auch Werte unter 6,5. Allerdings hatte mein armes Kind dafür auch jede Menge Unterzuckerungen. Mit der Pumpe lagen wir immer so zwischen 6,9 und 7,8. Eigentlich hatte ich das Gefühl, dass es in den letzten Monaten gut läuft, weil mein Kind viel alleine schafft.

Aber seit über einen Monat bin ich bis 17.00 Uhr nicht daheim. Die Kinder verbringen den Nachmittag allein in der Wohnung. Bin ich zulange weg? Sie sagen es mir eigentlich fast jeden Tag, dass sie mich vermisst haben.

In letzter Zeit war ich auch oft so müde und hab mir nachts keinen Wecker zum Messen und Korrigieren gestellt. Ist der Wert deswegen so hoch? Schlechtes Gewissen macht sich breit. Es fühlt sich an wie eine Niederlage, ich kann mir dieses Gefühl einfach nicht ausreden.

Der einsame patient

99,99 % der Zeit müssen wir hier allein klar kommen mit dem Diabetes, ärztliche Beratung gibt es dann nur alle drei Monate eine halbe Stunde, das war es dann.

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Erdbeeren können sauer sein. Diabetes auch.

Ich fühle mich wirklich deprimiert, wobei ich sonst zu so etwas nicht neige. Die Pubertät fängt erst an, wie wird das dann mit 14 Jahren? Mir graut es. Ich will das Problem unbedingt in den Griff bekommen. Aber ich will mein Kind auch nicht unter Druck setzen. Aber erst mal müssen wir herausfinden, wo die Baustelle liegt, bzw. die Vielzahl kleiner Probleme, die ein größeres Problem machen. Und was ist die Lösung?

Problem – Basalrate

Klar! Was hat uns die Ärztin als erstes aufgetragen? Den Basalratentest. Wir haben schon von 4 zu testenden Zeitfenstern 3 durch und so im Großen und Ganzen macht die Basalrate (insgesamt 17,1 U) eine ganz gute Arbeit. Daran liegt es dann wohl nicht. Leider, das wäre am leichtesten zu ändern.

Problem – Schulessen

Meine Tochter isst in der Schule Mittag. Auch wenn die Küchenmitarbeiterinnen beim Auffüllen des Tellers die Kohlenhydrate wiegen, so eine ganze sichere Sachen ist das Kantinenessen nie. Deswegen sollte meine Tochter so gegen 15.30 Uhr noch mal den Blutzucker messen. Das vergisst sie leider manchmal, und ich vergesse es dann auch oft, sie zu erinnern. Klar, sie könnte mittags ein mitgebrachtes Brot essen, aber das ist in der Kantine nicht erlaubt. Also wird sie weiter mit ihren Klassenkameraden und ihrer Zwillingsschwester dort essen. Das Essen können wir nicht ändern. Also müssen wir daran arbeiten, diese Kontrollmessung nach dem Essen einzuhalten. Ich ruf jetzt jeden Tag nachmittags an und trage es mir in meinen Handykalender ein.

Problem – Alleinsein

Den ganzen Nachmittag allein zu gestalten, ist vielleicht auch nicht ohne. In der Schulbetreuung bleiben meine Kinder nicht gern. Aber da ist sowieso keiner, der mein Kind ans Blutzuckermessen erinnert. Zuhause kann ich sie dann wenigstens anrufen. Klar darf mein Kind ihr Handy in der Schule benutzen. Als einzige sozusagen! Nur leider gibt es immer wieder neue Ümi-Betreuer, die das nicht wissen, deswegen bleibt das Handy dann doch lieber in der Tasche. Zuhause locken dann all diese Verführungen im Küchenschrank, die mein Kind dann leider wohl ab und an isst, ohne zu bolen. Ich könnte die Schokolade verstecken, oder gar keine kaufen. Das habe ich auch schon probiert, aber dann werden Zwiebacks oder anderes  Zeug „genascht“. Ich habe mich mit meiner Tochter darauf geeinigt, dass sie nachmittags wirklich nur eine Zwischenmahlzeit isst und sich nicht mehr 4-5 Mal was aus dem Schrank holt. Das erste schlechte Gewissen hatte ich deswegen bereits, nach ihrer Zwischenmahlzeit sind alle Kinder im Hof letztens zum Eismann gelaufen. Meine Tochter hat wegen der abgesprochenen Regel verzichtet. Sie wollte es durchhalten. Da tat mir meine Strenge dann doch wieder leid.

Problem – Start in die Pubertät

Sie wächst und wächst und wächst. Und braucht mehr Insulin und mehr und noch mehr. Die Basalrate habe ich deswegen in regelmäßigen Abständen erhöht. Aber wie der Basalratentest ja zeigt, die Basalrate funktioniert. Gegen Blutzuckerspitzen aufgrund von Wachstum kann ich nichts tun, außer Nachts messen und korrigieren. Zum Problem Pubertät gehört wohl auch diese verdammte Vergesslichkeit, die pubertierende Mädchen befallen kann. Auch da hilft weiterhin nur sie ans Messen und Bolen zu erinnern.

Problem – nach dem Essen bolen

Als meine Tochter noch klein (so bis 6) war, da haben wir uns angewöhnt, erst nach dem Essen zu bolen. In dieses Laster sind wir immer wieder verfallen. Das führt natürlich dazu, dass der Blutzucker nach der Mahlzeit steigt, weil das Insulin noch nicht da ist, wo es gebraucht wird. Diese blöde Angewohnheit ist das erste Problem, das wir sofort beseitigt haben. Ab jetzt wird vor dem Essen gebolt. Konsequent. Jedenfalls, wenn ich dabei bin.

Was zu ändern, ist gar nicht so leicht. Wo ist der Weg zwischen Verständnis und Konsequenz? Aber vor allem sollte ich eins machen, Ruhe bewahren und meinem Kind Vertrauen schenken.

Ich gebe zu, das ich nicht immer leicht. Vielleicht auch, weil ihr Gesundheitszustand ja immer so sehr in meiner Hand lag. So wie eine Art Projekt. Auch das gilt es los zulassen. Die Erkrankung meiner Tochter dient schließlich nicht der Selbstverwirklichung ihrer Mutter. Letztendlich bin ich nur eine Art „Dienstleister“, der die Sachen übernimmt, die mein Kind noch nicht kann. Damit kann ich gut leben.

5 Antworten auf „Der Rückfall“

  1. Hallo Zuckermutter, wir waren vor zwei Wochen mit diabetes-kids beim Ski fahren und da war ein super Doc (Kinderdiabetologe) er hat uns (Eltern) in einem Gespräch erklärt, dass ihm der HbA1 sowas von egal ist!! Seit dieser Woche sehe ich jetzt vieles entspannter, meiner Tochter (16) geht es damit sehr viel besser. Schade dass der Doc in Hanau arbeitet und somit für uns zu weit weg ist. LG Petra

    1. Ja, das ist ja erleichternd zu wissen, man steht so unter Druck mit diesen Werten, kommt mir immer vor wie bei einer Prüfung. LG Silke

      1. Ich habe den Doc gefragt, warum es die anderen nicht auch so sehen, er sagte, er versteht es leider auch nicht. Wir sollen stark sein und sollen lieber etwas höhere Werte, die dafür aber konstanter sind, in Kauf nehmen, damit würden wir Unseren Kids mehr helfen als mit einem guten HbA1, der meist mit vielen unterzuckerungen verbunden ist. LG und starke Nerven beim Diabetologen

  2. Hallo,
    habe heute deinen Blog entdeckt. Und ich bin momentatn auch in der Situtation. Der letzte HbA1c im Jänner bei meiner Tochter war auch nicht toll 🙁
    Und ich sehe ähnliche Gründe, wie du: ev. schon Pubertät, nächtliches Korrigieren, vor dem Essen bolen, zu wenig Zeit zu Hause, aber auch die Krankheiten im Winter haben uns zu schaffen gemacht.
    Und auch bei mir meldet sich dann natürlich das schlechte Gewissen.
    (Unsere Ähnlichkeiten gehen noch weiter: Ich habe gerade gelesen, dass unsere Töchter auch gleich alt sind und auch gleich lange Diabetes haben. Meine Tocher ist im Dez. 2005 geborgen und im April 2007 Diabetes bekommen.)
    Ich hatte nach dem letzten HbA1c auch wirklich ein sehr schlechtes Gewissen und habe mich auch geärgert. Ich glaube, es wird immer wieder mal passieren, dass man nicht so einen tollen HbA1c erhält. Es ist aber auch ein „Tritt“, wieder genauer hinzusehen und es besser zu machen.Diese Woche haben wir den nächsten Termin und diesmal ist der HbA1c sicher besser!
    Liebe Grüße und alles Gute, Helene

    1. Danke Helene, wir haben uns auch jetzt zusammengerissen und ein paar Sachen geändert, jetzt war er Wert bei 7,4, das ist ja schon mal was…. Aber in den nächsten Jahren kommt ja noch einiges an Schwankungen auf uns zu. LG Silke

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