„Es“ sagen oder nicht?

Wie viel sollen die anderen über den Diabetes meiner Tochter erfahren?

Seit einiger Zeit helfen meine Kinder im Tierheim bei der Pflege der Nagetiere. Als wir vor einigen Wochen dort nachfragten, ob dies möglich ist, habe ich kurz gezögert, ob ich überhaupt die DiabetesErkrankung meiner Tochter oute.

Diabetes und Diskretion

Eigentlich ist sie nur 2 Stunden dort, regelt alles selbst und ist, seitdem sie eine Pumpe hat, nie wieder in einen problematischen Zustand geraten, sprich bis zur Benommenheit unterzuckert. Andere Eltern erklären ja auch nicht überall, welche Besonderheiten oder Kauzigkeiten ihre Kinder aufweisen, wenn sie die Kleinen für einen Kurs oder ein Hobby anmelden.

Ich hab es dann den Tierpflegern gegenüber doch auch kurz erwähnt, damit sie sich nicht über den Gerätepark wundern, den meine Tochter bei sich führt. Außerdem hatte ich Sorge, dass die Tierpfleger sich sonst reingelegt fühlen, weil sie ja für 11-Jährige eine gewisse Verantwortung übernehmen müssen.

Eigentlich bin ich immer offen mit dem Diabetes und den ganzen Schnickschnack drum herum umgegangen. Was soll man auch machen, wenn man bei einer Zweijährigen alle Nase lang Blutzucker messen muss, weil das Kind sich noch nicht über seine Befindlichkeit äußern kann. Das Messgerät wurde überall, wo wir waren, bei Bedarf gezückt. Manchmal haben Mitmenschen gefragt, was wir da machen, die meisten haben betreten weggeschaut. Kleine Kinder haben uns manchmal angestarrt, als würden wir im Sandkasten am offenen Herzen operieren. Aber, so what!

Größere Kinder brauchen mehr Diskretion

Aber es hat sich mit der Zeit das Gefühl eingeschlichen, dass wir es mehr für uns behalten wollen. Je älter meine Tochter wurde, um so mehr habe ich einen Wunsch nach Diskretion. Wir messen den Blutzucker, bevor wir ins Restaurant gehen und nicht am Tisch. Unterwegs messen wir nur noch, wenn das Kind sich unterzuckert fühlt. Und ehrlich, selbst auch das nicht immer, manchmal gibt es nur ein paar Stücke Traubenzucker.

Oft, wenn ich erzählte, dass meine Tochter Diabetikerin ist, stellte ich mir vor, wie die anderen mit dieser beklemmenden Information umgehen. Haben Sie Mitleid, können sie sich überhaupt vorstellen, was für ein Stress da phasenweise dran hängt, oder sind sie vor allem froh, dass ihre Kinder gesund sind? Neuen Bekannten berichte ich schon lange nicht mehr gleich von dem Diabetes meiner Tochter. Auch weil ich keine Lust habe, die arme alleinerziehende Mutti mit dem kranken Kind zu sein.

Ich ziehe mich nach und nach zurück

Will sie überhaupt, dass alle von ihrem Diabetes erfahren? Sie ist 11, ist es nicht bald ihre Sache, wem sie welche Informationen gibt? Und wenn ich darüber nachdenke, wird mir klar, dass ich dabei bin, den Stab an sie weiterzugeben. Langsam verliere ich meine Führungsposition im Diabetes-Management meiner Tochter. Es wird immer mehr zu ihrem Deal. Klar, noch verwalte ich die Vorräte und erinnere daran, den Blutzucker zu kontrollieren. Entscheide noch über Korrekturen und stell mir nachts den Wecker, wenn der Tag zuvor ungünstig verlief. Aber sie muss entscheiden, wie viel und wie wenig über ihre Erkrankung für andere wahrnehmbar ist.

Aber je mehr meine Tochter vieles alleine regelt und die Hoheit über ihre Situation bekommt, umso klarer wird mir, dass ich langsam nur noch zuarbeite. Und das ist auch gut so.

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