Über Essen, Therapien und Hilfsmittel

Essen und Diabetes – was ist bei uns anders?

Letztens wurde ich wieder gefragt, ob meine Tochter alles Essen darf. Ja, sie darf, allerdings gibt es bei uns einige Grundregeln. Alles muss mit der entsprechenden Menge Insulin abgedeckt werden. Süßigkeiten wie Gummibärchen werden nur bei niedrigen Blutzuckerlagen oder im Umfeld einer Hauptmahlzeit gefuttert.

Es sollten drei Hauptmahlzeiten am Tag und zwei bis drei kleinere Zwischenmahlzeiten verzehrt werden, damit sich die Kohlenhydrate einigermaßen gleichmäßig verteilen. Klappt natürlich nicht immer. Aber wir bemühen uns.

Naja, unser Umgang mit Nahrung ist trotzdem schon irgendwie anders, denke ich. Bei Tisch frage ich nicht, was willst du, sondern wie viel KE willst du. Meine Tochter und ich wissen wie zwei Diätjunkies genau, welches Nahrungsmittel wie viel Kohlenhydrate hat. Eine KE, das ist eine Milchschnitte, 40 Gramm Nudeln, 25 Gramm Vollkornbrot, ein grosser Kinderriegel, ein Quetschapfelmus, ein kleiner Apfel, eine halbe Banane, ein halbes Glas Saft, 1 Teller Brokkoli-Kartoffel-Suppe, 2,5 Fischstäbchen, 15 Gramm Popcorn oder eine Reiswaffel mit Schokolade…

Uns ist klar, dass sie nach üppigen Fett- und Fleischmahlzeiten noch etwas Insulin über eine Langzeitinsulinabgabe braucht. Wenn mein Kind zwischendrin etwas isst, was sie nicht abbolt, also mit Insulin versorgt, dann überzuckert sie, also ist heimliches Naschen nicht möglich.

Süßigkeiten spielten vor der Diagnose keine Rolle

Als meine Tochter nach ihrer Diagnose mit 18 Monaten auf eine konventionelle Therapie eingestellt wurde, war ich zunächst vollkommen ahnungslos, was dies bedeuten würde. Vorher hatte ich es vermieden, den Kinder Süßigkeiten anzubieten. Und es wurde gegessen, wenn man Hunger hat. Klar gab es feste Essenszeiten, aber wenn mal was liegen blieb, war das kein Weltuntergang.

Unser Einstieg – die konventionelle Therapie

Nach der Einstellung auf die konventionelle Therapie, spritze ich meiner Tochter morgens etwas Kurzzeitinsulin und ein Langzeitinsulin und abends nur Langzeitinsulin, das sie im Laufe des Tages quasi abessen musste.

013_11
So klein und schon Diabetes, wie kommt das denn, diese Frage haben wir bestimmt 1000-mal zu hören bekommen.

Leider war es so, dass sie bis Mittags ziemlich viele Kohlenhydrate in kurzen Abständen zu sich nehmen musste. Am Nachmittag dagegen war die Wirkung des Insulins schwach, da musste dann eher mal gefastet werden. Schlagartig änderten sich unsere Essgewohnheiten. Drei mal am Vormittag musste mein Kind eine KE essen, auch wenn sie keinen Hunger hatte. Dinge wie Quetschapfelmus, Caprisonne, Kekse und Milchschnitten zogen in unsere Küche ein. Phasenweise hat mein Kind nur noch Kekse gegessen, sie hatte ja nie Hunger und demzufolge keinen Appetit. Die Esserei am Vormittag ging ihr gehörig auf die Nerven.

Klar habe ich ihr erst mal ein Stück Vollkornschnitte angeboten, aber meistens landeten wir dann auch beim Keks als Zwischenmahlzeit. Die ersten 6 Jahre mit Diabetes war ich froh, wenn ich mit welcher Nahrung auch immer den Blutzuckerspiegel meiner Tochter irgendwie im Lot halten konnte. Während andere Muttis sich um die biologische Qualität der Nahrung für ihre Brut kümmerten, griff ich zu immer absurderen Produkten, um möglichst unproblematisch Über- und Unterzuckerungen zu verhindern.

Therapieformen verändern sich

Dass Insulin in seiner Wirkung durch Zink verlangsamt werden kann, ist eine Entwicklung aus den 1930er Jahren. Erst seit den 1950er Jahren gibt es überhaupt Einwegspritzen, seit 1985 sind Pens auf dem Markt. Seit den 1990er Jahren nutzen Diabetiker überhaupt Insulinpumpen und seit den frühen 2000er Jahren sind Insulinanaloga verbreitet. Neben der konventionellen Therapie gibt es eine intensivierte Therapie und als Ableitung davon die Pumpentherapie.

Die Insulinpumpe war eine Erlösung für mein Kind

Erst die Insulinpumpe erlöste mein Kind während der 1. Klasse aus diesem Fressschema. Dafür wechselten wir die Klinik, weil unsere vorherige Ärztin eine konventionelle Therapie mit viel Langzeitinsulin und der Nutzung von Einmalspritzen favorisiert. Wir sahen uns nun mit viel technischen Brimborium konfrontiert, dafür konnte meine Tochter essen wie viel sie und wann sie wollte. Jetzt wird meiner Tochter über einen eingestochenen Katheter und einen Schlauch ihr Insulin in passgenauen Dosen abgegeben. Dafür muss sie alle 2 Tage diesen Katheter entfernen und ihn nach einem verlässlichen Schema neu einstechen.

Andere Kinder lernen Einradfahren – meins Katheter stechen

Seitdem sie 10 Jahre ist, macht sie dass allein. Im Schlafzimmer belegen die nötigen Hilfsmittel für ihre Pumpe 2 Schubladen einer Kommode. Der Umgang mit diesen medizinischen Hilfsmitteln ist meinen Kinder so vertraut wie Haarshampoo und Nutella. Mittlerweile isst mein Kind sogar Salat und liebt Vollkornbrot. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass ich über diese Vorlieben sehr erleichtert bin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*