10 Jahre schlechtes Gewissen
Mein Alltag ist begleitet von einem dauerhaften, schlechten Gewissen. An allen Ecken und Enden mache ich Kompromisse, schaffe Notlösungen und stopfe irgendwelche Löcher. Wenn ich arbeite, dann verbringen meine Kinder einen Teil des Nachmittags in der Schulbetreuung oder sie sind allein zuhause. Meine Tochter muss dann die Erkrankung auch nach dem Unterricht allein regeln.
Das kann sie natürlich, sie ist 11 Jahre alt und kennt kein anderes Leben. Trotzdem kommt es natürlich öfters zu Problemen, das Schulessen ist oft nur schwer schätzbar und wenn der Appetit auf Schokolade übermächtig wird, vergisst sie auch mal die ein oder andere Nascherei mit Insulin abzudecken.
Dann ist vor dem Abendessen die Freude nicht besonders groß, wenn plötzlich der Blutzucker bei 312 liegt. Ich ärgere mich dann, vor allem über die verzwickte Situation, in der ich mich empfinde, manchmal, an schwachen Tagen, motze ich rum.
Berufstätige Mutter – schlechtere Langzeitwerte
Ich arbeite, um von eigenen Geld zu leben, eine Pflicht zu erfüllen, weil es mir Spaß macht und um den Kindern ein Vorbild zu sein. Dafür nehme ich in Kauf, dass mein Kind einen mittelmäßigen Langzeitwert hat. Unter mehr mütterlicher Aufsicht, wäre es wohl leichter gewesen, den Diabetes meiner Tochter optimal zu regeln. Dann hätte ich auch nicht in Grundschule und Kindergarten um Hilfestellungen für sie ringen müssen.
Ich bin gerade auf der Suche nach einem neuen Job. Das ist das erste Mal seit 7 Jahren, dass ich zwischen 2 Arbeitsplätzen einige Zeit zu Hause bin. Natürlich haben wir jetzt noch weniger Geld. Aber für meine Tochter ist dies eine gute Situation. Seit ein paar Tage essen die Kinder mittags mit ihr zu Hause. Jetzt sind die Blutzuckerwerte prompt stabiler.
Von einer Notlösung zur nächsten
Wieder ein Moment in dem sich ein Pfeil in mein Herz bohrt. Hätte alles viel leichter sein können, wenn ich wegen des Diabetes mehr Zeit zuhause mit den Kindern hätte verbringen können.

Aber als alleinerziehende Mutter ist es ja grundsätzlich richtig, sich beruflich zu betätigen. Ich suche also intensiv nach einem neuen Arbeitsplatz, der mich ein paar Jahre durchs Berufsleben trägt. Und hoffe, dass meine Tochter immer schlauer und verantwortungsvoller wird, ihre Erkrankung selbst zu regeln. Damit ich mal das traurige Gefühl loswerden, dass sich unser Leben von einer Notlösung zum nächsten Provisorium bewegt.